Die Geschichte hinter "Aktion Notnagel"

Wie alles begann

Im Jahr 1983 hat Karl Gentner einen ökumenischen Waldgottesdienst ins Leben gerufen.
Bei der Kollekte kamen sage und schreibe 2500 Mark zusammen, die den Kirchen in Malmsheim und Renningen als „Notnagel“ übergeben wurden, für Notfälle in der Stadt. Mit Spendenerlösen mildtätige Zwecke zu unterstützen, das war allerdings nur einem eingetragenen Verein gestattet.

Deshalb hat die Gruppe sich auf Anraten des Pfarrers Franz Pitzal im März 1995 als „Aktion Notnagel“ ins Vereinsregister eingetragen.
Gentner wurde damals zum ersten Vorsitzenden des frisch gegründeten Vereins gewählt, später hatte er den Ehrenvorsitz inne. Mit der „Aktion Notnagel“ haben Gentner und andere engagierte Mitbegründer einen mildtätigen Verein geschaffen, der nach den Worten des heutigen Vorsitzenden, Gerhard Kicherer, eine ähnliche Funktion übernimmt wie in früheren Zeiten die Armenhäuser.
Gentner war auch an anderer Stelle ehrenamtlich engagiert: 37 Jahre lang war er Mitglied des Gemeinderates. Im Jahr 2000 erhielt er die Bürgermedaille. Schon 1986 wurde der Förster und Jäger mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

Ersatz für die alten Armenhäuser

Gerhard Kicherer
Gerhard Kicherer, 1. Vorsitzender

Aktion Notnagel springt etwa ein, wenn die dringend nötige neue Waschmaschine nicht bezahlbar ist, oder wenn der Klassenausflug das ohnehin knappe Budget der Eltern sprengen würde.
In den zehn Jahren, in denen Kicherer die Leitung des Vereins innehat, habe sich die Zahl derer, die Hilfe suchen, verdoppelt, sagt er.

Hundert Hilferufe pro Jahr erreichen die Aktion Notnagel – die Hälfte davon um die Weihnachtszeit. „Früher waren es gerade mal fünfzig im ganzen Jahr. Die Not wird größer, und das in unserer wohlhabenden Stadt“, sagt Kicherer.

Das sei zum Teil auf die gestiegenen Energiekosten zurückzuführen, aber auch auf die Hartz IV-Regelungen, in denen keine Sonderzuwendungen mehr vorgesehen seien, wie etwa früher bei der Sozialhilfe. „Stattdessen sind die Empfänger angehalten, selbst jeden Monat etwas zur Seite zu legen, um auf Reparaturen oder Stromnachzahlungen vorbereitet zu sein“, sagt der engagierte Schulrektor.

„Wenn Menschen ohnehin knapp bei Kasse sind, brauchen sie jeden Cent fürs tägliche Leben und können nichts ansparen.“
Selbst wenn Menschen Arbeit hätten, könnten sie heutzutage nicht immer davon leben, das hat der Vereinsvorsitzende im Laufe seiner zehnjährigen Amtszeit erfahren. Mehr und mehr Menschen würden auf 400 Euro-Basis oder im Niedriglohnsektor arbeiten.
Größere Rechnungen könne man davon nicht begleichen.

Hilfe, wenn es nötig ist

Hilfe kommt rasch und unbürokratisch, in den meisten Fällen in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Bildung, Familie und Soziales. „So haben wir kürzlich einen alleinerziehenden Vater vermittelt, weil er zwar auf die Konfirmation seines Sohnes gespart, aber kein Geld mehr für die schwarzen Schuhe hatte“, sagt eine Vertreterin der Stadt.
Diese rasche finanzielle Hilfe könne nur ein einmaliger „Notnagel“ sein, wie schon der Name des Vereins sagt, so Kicherer. „Regelmäßige Zuwendungen können wir nicht geben.“
Eine Ausnahme ist der Zuschuss zum Mittagessen in der Schule, für das Eltern mit geringem Einkommen zum Teilhabepaket berechtigt sind. „Dabei müssen sie noch einen Eigenanteil von einem Euro pro Tag leisten“, so Kicherer.
Ein Euro, das klinge wenig. Aber bei einer Familie mit vier Kindern kämen rasch 60 Euro im Monat zusammen.

Zum Glück gebe es in Renningen und Malmsheim viele wohlhabende Menschen, die gerne geben.
Er begegne aber auch Spendern, die selbst über keinen allzu dicken Geldbeutel verfügen, und auch das komme immer häufiger vor.
„Oft bekommen wir 20 Euro von älteren Menschen, die sich das Geld von ihrer kleinen Rente absparen“, sagt Kicherer.
Das sei Nächstenliebe, die ihn immer wieder beeindrucke.

„Wenigstens sind wir in der glücklichen Lage, dass das Bewusstsein in der Bevölkerung wächst.“
So sprach sich vor einem Jahr die Nachricht von dem Wohnungsbrand, bei dem eine Familie ihr gesamtes Hab und Gut verloren hatte, innerhalb von wenigen Stunden herum, erinnert sich Kicherer. „Die Menschen haben blitzschnell reagiert und gegeben, was sie konnten.“
Innerhalb von zwei Wochen hatte die Familie wieder einen kompletten Hausrat beieinander, dank der Hilfe engagierter Bürger – und, wie Kicherer betont, dank der Initiative von Karl Gentner.
„Ohne ihn würde es den Verein, der das soziale Gefüge der Stadt so entscheidend prägt, sicher nicht geben.“